Im dritten Teil geht es nun um die Zeitspanne, in der meine Mutter noch kämpfte, bevor sie dann loslassen und durch die Tür gehen konnte.
Montag, 17.01. – wie üblich morgens ins Pflegeheim gefahren, nach dem üblichen Schnelltest dann hoch ins Zimmer. Sie hatte nun schon die Augen geschlossen und atmete immer wieder von Pausen unterbrochen doch sehr schwer. Mundraum feuchten wollte sie auch nicht mehr. ich begrüßte sie und setzte mich ans Bett. Wurde gefragt, ob es in Ordnung wäre, wenn man die T-Shirts hinten aufschneiden könnte, damit man sie nicht beim Kleidungswechsel quälen würde. Sagte hier, dass es kein Thema sei. Kleidung ist unwichtig, das Wohl des Menschen ist wichtiger. Beobachtete leichte Verfärbungen im Gesicht und Händen, was dann auch wieder normal sei, erklärte man mir. Der Körper zieht im fortschreitenden Sterbeprozess das Blut aus den Extremitäten zentral zurück, und dort wo sich das Blut sammelt, entstehen dann Flecken. Meine Mutter ist nur noch auf das Atmen konzentriert, wenngleich sie alles hört, aber dies keine Priorität mehr hat. Ich sitze also am Bett, gehe nur kurz zum Mittagessen raus, bin dann wieder da und warte. Mittlerweile habe ich fast alle Verwandten, Bekannten und Freunde darüber informiert, dass meine Mutter im Sterben liegt. Alle waren geschockt. Eine Pflegerin sagte mir im Vertrauen, dass sie sich mit der Atmung quält und sie deshalb noch nicht loslassen kann. Ich sage meiner Mutter, so wie den letzten Tagen auch. „Du kannst loslassen, es ist gut, geh durch die Tür“. Auch wenn es mich schmerzt und Tränen in die Augen treibt, es ist ihr Wohl und nicht meines. Sie war 50 Jahre für mich da und jetzt darf sie sich ausruhen von den Strapazen und Leiden auf dieser irdischen Welt.
Der Nachtpfleger kam dann kurz vor 22:00 ins Zimmer und sagte, er wolle meine Mutter in eine Art stabile Seitenlage legen, damit sie ruhiger atmen kann. Nachdem er das getan hatte, atmete sich in der Tat ruhiger. Ich habe dann beschlossen, kurz nach Hause zu fahren und falls es eine Veränderung gibt, dann wiederzukommen. Der Nachpfleger wollte mich dann anrufen. Ich verabschiedete mich von meiner Mutter, und sagte ihr noch, dass ich sie lieb hab. und ich morgen wieder komme. Ich wusste nicht, dass dies schon der Abschied war.
Um 23:45 rief mich der Nachpfleger mit den Worten „Sie hat es nun geschafft“ an. Ich setzte mich gleich ins Auto und fuhr nochmals ins Pflegeheim, wo mich der Nachtpfleger dann zu ihr ins Zimmer lies.
Da lag sie auf der Seite, als ob sie nur schlafen würde. Ich war dankbar und sagte ihr nochmals, dass ich sie liebhabe und ihr alles gute Wünsche in ihrem neuen Zuhause. War noch ein paar Minuten bei ihr, verabschiedete mich von ihr und dem Nachtpfleger und fuhr nach Hause.
Ein Leben, voller Arbeit, Entbehrungen, Liebe, Reisefreude, Trauer, Kummer und Schmerzen hier auf dieser Erde endete um 23:40 am 17.01.
Anmerkung: Beim Schreiben dieser letzten Sätze habe ich wieder Tränen im Auge, sie fehlt mir.